Aargauer Zeitung, 02.12.2006, Regionalteil Aarau, S.5

GYGAX’ ERBANTRITT NACH STEINERS LETZTER SCHEIDUNG

THOMAS RöTHLIN



Am Donnerstagabend wurde das Bezirksgericht Aarau vorübergehend zum recht(sprechungs)freien Raum und den unüblich vielen Anwesenden im Kerzenschein ganz feierlich zumute. Ehemalige und amtierende Richter und Gerichtsschreiber, Parteikolleginnen und Familienangehörige wurden Zeugen eines Präsidentenwechsels: Marc Steiner (SP) wechselt als
 Kartell- und Vergaberechtsspezialist ans neue Bundesverwaltungsgericht nach St. Gallen und wird als Gerichtspräsident II in Aarau abgelöst von lic. iur. Fürsprecherin Karin Gygax (SP). «Jungdynamisches Personal strebt nach höheren Weihen», kommentierte Inspektionskommissionspräsident Hansjörg Geissmann Marc Steiners Abgang nicht ohne Bedauern. Er gehe mit einem weinenden Auge, versicherte dieser, doch eine Justizkarriere lasse sich eben schlecht planen. Als Vertreter der Aufsichtsinstanz über die Bezirksgerichte attestierte Geissmann dem Scheidenden einen  «ausgezeichneten Topzustand» seiner Hinterlassenschaft. Ein aufgeräumtes Erbe also tritt Karin Gygax an, die von Geissmann zuerst umarmt («ich darf sie küssen, sie ist meine Expraktikantin»), auf ihren sich abzeichnenden Nachwuchs angesprochen und dann per Gelobigungsformel hochoffiziell in Pflicht genommen wurde. Gerichtspräsident I Thomas Müller überhäufte seinen Kollegen geradezu mit Geschenken (ein Wollschal gegen «rauen Wind in der Ostschweiz» sowie Köstlichkeiten aus der fernen Toskana «auf Anreise» und dem Kafi Brändli um die Ecke). Marc Steiner seinerseits hatte einen Apéro riche auftischen lassen. Was Müller zu der hämischen Bemerkung an die Gästeschar verleitete: «Sie meinen doch nicht etwa, aus dem Staatskeller gäbe es mehr als mit viel Mineral verdünnten Weissen, garniert mit ein paar Nüssli?»
 

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